Mangelansprüche vor Abnahme gem. § 4 Nr. 7 VOB/B

1. Allgemeines

§ 4 Nr. 7 S. 1 VOB/B regelt den Fall, dass Mängel vor Abnahme auftreten. Auch in diesem Fall ist der Auftragnehmer verpflichtet, diese Mängel zu beseitigen. Da es sich bei dem Zeitraum vor Abnahme um den Erfüllungszeitraum handelt, handelt es sich folgerichtig um einen originären Erfüllungsanspruch.

Demgegenüber führen Mängel nach Abnahme zu Gewährleistungsrechten des Auftraggebers. Ein ganz entscheidender Unterschied zwischen den Mängelansprüchen des Auftraggebers nach
§ 4 Nr. 7 VOB/B vor Abnahme und den Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers gem. § 13 VOB/B nach Abnahme besteht darin, dass der Auftragnehmer vor Abnahme nachweisen muss, dass die von ihm erbrachten Leistungen ordnungsgemäß sind.

Demgegenüber muss nach Abnahme der Auftraggeber beweisen, dass der aufgetretene Mangel auf die Leistungen des Auftragnehmers zurückzuführen ist. Dieser Unterschied ist auch im Falle eines Prozesses von entscheidender Bedeutung. Vor Abnahme trägt der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorhandensein von Mängeln, nach Abnahme der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Mangels. Die Unterscheidung, wer im Falle eines Prozesses die Darlegungs- und Beweislast trägt, ist entscheidend, beispielsweise dafür, wer die Auslagenvorschüsse für etwaige Sachverständige oder sonstige Beweismittel trägt und darüber hinaus auch für die Frage, wer unterliegt, wenn sich eine Tatsache nicht beweisen lässt oder Unklarheiten herrschen. Dies geht immer zu Lasten desjenigen, der die Darlegungs- und Beweislast trägt.

2. Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 VOB/B

2.1 Mangelbeseitigungsanspruch

Sofern Mängel vor Abnahme bestehen, steht dem Auftraggeber zunächst ein Mangelbeseitigungsanspruch zu, es sei denn, der Auftragnehmer beruft sich zurecht darauf, dass die Mangelbeseitigung unmöglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand nach sich zieht, worauf im Folgenden noch eingegangen wird.

Daneben steht ihm bereits mit Vorliegen des Mangels, bei dem ein Schaden entstanden ist, ein Schadensersatzanspruch zu. Dieser kann z.B. daraus folgen, dass bedingt durch den Mangel andere Arbeiten nur noch verzögert ausgeführt werden können. Darüber hinaus kann der Auftraggeber von den Abschlagsrechnungen des Auftragnehmers in Höhe der zweifachen Mangelbeseitigungskosten ein Zurückbehaltungsrecht ausüben.

2.2 Voraussetzungen

Voraussetzung für die weiteren Ansprüche gem. § 4 Nr. 7 VOB/B sind:

  • Vorliegen eines Mangels
  • Setzung einer angemessenen Frist
  • Kündigungsandrohung und Kündigung.

2.3 Mangeldefinition

Die Frage, wann ein Mangel vorliegt, wird sowohl für Ansprüche vor Abnahme (vgl. § 4 Nr. 7 VOB/B) als auch nach Abnahme (vgl. § 13 VOB/B) einheitlich beantwortet. Die Mangeldefinition findet sich wie dargelegt in § 13 Nr. 1 VOB/B.

2.4 Angemessenheit

Für die Frage, inwieweit eine Frist angemessen ist, sind Art und Umfang des Mangels entscheidend, d.h. es ist objektiv zu ermessen, in welcher Zeit ein ordnungsgemäß handelnder Auftragnehmer diesen Mangel beseitigen kann. Folgerichtig ist es immer eine Frage des Einzelfalls, was für eine Zeitspanne zur Mangelbeseitigung gesetzt werden muss. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass es einen Anspruchsverlust gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B nach sich ziehen kann, wenn der Auftraggeber eine zu kurz bemessene Frist setzt und unmittelbar daran die Ersatzvornahme ausführt, ohne dass dem Auftragnehmer die Möglichkeit zur Mangelbeseitigung gegeben wurde. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Auftragnehmer die Mängel letztlich beseitigen wollte. Eine zu kurz bemessene Frist ist dann unschädlich, wenn der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung ablehnt.

2.5 Kündigungsandrohung und Kündigung

Anders als das BGB setzt § 4 Nr. 7 VOB/B für den Ersatz von Ersatzvornahmekosten voraus, dass die Mangelbeseitigungsaufforderung unter Kündigungsandrohung mit anschließender Kündigung erfolgt. Es kann sowohl die Kündigung für Teile (in sich abgeschlossene Leistungen) erfolgen als auch der gesamte Vertrag gekündigt werden. Bei allen Ansprüchen vor Abnahme sollte die Mangelbeseitigungsaufforderung immer unter Kündigungsandrohung erfolgen. Inwieweit es dann im Einzelfall sinnvoll ist, eine Kündigung auszusprechen, sollte dezidiert überprüft werden, da es häufig nicht sinnvoll ist, für geringwertige Mängel die mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen verbundene Kündigung eines Vertrages auszusprechen.

Um die Möglichkeit jedoch aufrecht zu erhalten, sollte in jedem Fall die Mangelbeseitigungsaufforderung wie beschrieben unter Kündigungsandrohung erfolgen. Eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung und anschließender Kündigung ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen entbehrlich. Dies ist der Fall wenn der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung seines Werks endgültig verweigert (vgl. BGH, BauR 2001, S. 1897; BGH BauR 2000, S. 1449).

2.6 Rechtsfolgen

Gegenstand des Anspruchs können die Ersatzvornahme bzw. Ersatzvornahmemehrkosten sein sowie der Ersatz des weiteren Schadens. Zu beachten ist, dass § 4 Nr. 7 VOB/B anders als § 6 Nr. 6 VOB/B bzw. § 13 Nr. 7 VOB/B (Gewährleistungsansprüche nach Abnahme) keine Haftungsbegrenzung vorsieht. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B können gegebenenfalls die Geräte, Gerüste sowie auf der Baustelle vorhandene Einrichtungen, angelieferte Stoffe und Bauteile gegen angemessene Vergütung in Anspruch genommen werden. Inwieweit dies sinnvoll ist, sollte im Falle des Auftragsentzugs genau überprüft werden. Es ist jedenfalls dann sinnvoll, wenn ein siebenstöckiges Bauwerk vollständig eingerüstet ist und eine Neueinrüstung zu erheblichen Zeitverzögerungen und damit wirtschaftlichen Konsequenzen führen würde.

In eng umgrenzten Fällen kann auch ein Wegfall des Interesses an der Ausführung beim Auftraggeber vorliegen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Messestand mangelhaft erstellt worden ist und die Messe vorüber ist. Dann macht auch eine Mangelbeseitigung aus Sicht des Auftraggebers keinen Sinn mehr.