Wann ist eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage genehmigungsfähig?

Die bauliche Anlage ist genehmigungsfähig, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, die im baurechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Dies beinhaltet die Frage des den Bauaufsichtsbehörden obliegenden Prüfprogrammes und den damit gestellten materiellen Anforderungen.

Vereinfachtes Genehmigungsverfahren

In den allermeisten Fällen der Baugenehmigung kommt das eingeschränkte Prüfprogramm des Art. 73 Abs. 1 BayBO zur Anwendung, das sog. vereinfachte Genehmigungsverfahren. Danach ist die Prüfung durch die Baugenehmigungsbehörde vor allem auf die bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB beschränkt. Darüber hinaus ist die Übereinstimmung mit den

  1. örtlichen Bauvorschriften und mit den Abstandsvorschriften,
  2. den Art. 6 und 7 BayBO (Abstandsflächen),
  3. Bestimmungen der Baugestaltung (Art. 11 BayBO),
  4. die Übereinstimmung mit den Vorschriften der Art. 52 und 53 (Stellplätze),
  5. bei baulichen Anlagen für gewerbliche und industrielle Zwecke, außer bei einfachen baulichen Anlagen, die Anforderungen des baulichen Arbeitsschutzes,
  6. anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird (z.B. Art. 59 Abs. 7 Bayerisches Wassergesetz, Art. 6 Abs. 3 Denkmalschutzgesetz).

Die Beschränkung des Prüfprogrammes entbindet den Bauherren aber nicht von der Einhaltung weiterer öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Stellt die Behörde solche Verstöße fest, kann sie unter Umständen die Baugenehmigung wegen des fehlenden Sachbescheidungsinteresses verweigern, um nicht erst eine Genehmigung erteilen zu müssen, gegen die dann bauaufsichtlich vorgegangen werden müsste.

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens folgt aus den §§ 29 ff. BauGB. Diese finden nur Anwendung, wenn nach § 29 BauGB eine bauliche Anlage vorliegt. Der Begriff der baulichen Anlage deckt sich weitgehend mit dem der BayBO, ist aber aufgrund der bundesrechtlichen Herkunft eigenständig zu definieren. Hinzu kommt, denn nur insoweit steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu, das Kriterium der bodenrechtlichen Relevanz der baulichen Anlage, die aber stets gegeben sein wird.

Sodann ist nach den vorgegebenen Gebietstypen zu unterscheiden:

1. Zulässigkeit eines Vorhabens im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB

Nach § 30 Abs. 1 ist eine Anlage bauplanungsrechtlich zulässig, wenn das betroffene Grundstück mit einem qualifizierten Bebauungsplan überplant ist, das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplanes entspricht und die Erschließung gesichert ist.

Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Planes sind nach § 31 BauGB möglich. Dabei regelt § 31 Abs. 1 BauGB den Fall, dass eine Befreiungsmöglichkeit ausdrücklich nach Art und Umfang im Plan vorgesehen wurde. Die schwierige Variante des § 31 Abs. 2 BauGB fordert, dass entweder
Gründe des Allgemeinwohls oder
städtebauliche Gründe oder
eine nicht beabsichtigte, grundstücksbezogene (!) Härte für eine Ausnahme sprechen und die Grundzüge der Planung nicht beeinträchtigt werden sowie die Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen vereinbar ist. Hierdurch soll besonderen Härten im Einzelfall abgeholfen werden können. Dies impliziert, dass nach der gesetzgeberischen Intention die Befreiung grundsätzlich die Ausnahme darstellt. In der Praxis profitieren beide "Seiten" von dieser Möglichkeit: die Behörde bekommt eine zusätzliche Befreiungsgebühr, der Bauherr das erwünschte Baurecht.

Wird über das Vorhaben während der Aufstellungsphase eines Bebauungsplanes entschieden, so kann unter Umständen § 33 BauGB eine vorzeitige Genehmigung ermöglichen. Voraussetzung ist aber, dass das Vorhaben nicht schon nach § 30 Abs. 1, 34 oder 35 BauGB zulässig ist.

2. Zulässigkeit innerhalb der im Zusammenhang bebauter Ortsteile nach § 34 BauGB

Im Zusammenhang bebauter Ortsteile umschreibt jede Bebauung innerhalb des Gemeindegebietes, die den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt, deren Bebauung nach der Anzahl der vorhandenen Gebäudlichkeiten ein gewisses Gewicht hat und die Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist. Die Abgrenzung erfolgt stets anhand der bereits vorhandenen Bebauung. Im Zweifel hat die Gemeinde die Möglichkeit, durch eine Satzung die Grenze zwischen Außen- und Innenbereich festzulegen, § 34 Abs. 4 BauGB (Klarstellungs-, Entwicklungs- oder Abrundungssatzung).

Die bauplanungsrechtliche Vereinbarkeit eines Vorhabens mit § 34 BauGB entscheidet sich danach, ob die bauliche Anlage in die vorhandene Baustruktur einfügt. Entspricht das Vorhaben nach seinem tatsächlichen Charakter einem der in der BauNVO aufgezählten Gebiete, z.B. dem Charakter eines Gewerbegebietes, so richtet sich die Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB.

Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn sich eine Anlage im Innenbereich hinsichtlich der Art und des Maßes (Größe des Baukörpers) der baulichen Nutzung, der Bauweise (offene oder geschlossene, z.B. Reihenhäuser, Bauweise) und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Darüber hinaus

  • muss die Erschließung gesichert sein,
  • müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben
  • darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden,
  • darf das Vorhaben den Festsetzungen eines einfachen Bebauungsplanes nicht widersprechen - soweit vorhanden -,
  • muss die Gemeinde ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 BauGB erteilt haben.

Prüfungsmaßstab sind daher insbesondere die vorhandene Bebauung mit Ausnahme sog. Fremdkörper in der näheren Umgebung sowie das Gebot der Rücksichtnahme.

Soweit die nähere Umgebung des Vorhabens einem der in der BauNVO charakterisierten Gebiete entspricht, beurteilt sich die Zulässigkeit im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB. Eine bauliche Anlage fügt sich danach in das nähere Umfeld ein, wenn es in einem der aufgeführten Gebiete zulässig wäre. Dies gilt aber nur für die Prüfung der Art der baulichen Nutzung; im übrigen bleibt es bei den Kriterien nach Abs. 1.

3. Zulässigkeit im Außenbereich, § 35 BauGB

Während der Gesetzgeber im Innenbereich von einer grundsätzlichen Bebaubarkeit der Grundstücke ausgeht, soll nach der gesetzgeberischen Intention der Außenbereich von jeder Bebauung freigehalten werden. Bauliche Aktivitäten im Außenbereich stellen daher die Ausnahme dar. § 35 BauGB berücksichtigt aber auch, dass es Anlagen gibt, die einerseits typischerweise auf den Außenbereich angewiesen sind, z.B. land- und forstwirtschaftliche Betriebe, andererseits aber auch bauliche Anlage existieren, deren Nutzung im Innenbereich nur schwer vorstellbar ist, z.B. stark emittierende Anlagen. Aus diesem Grund unterscheiden § 35 Abs. 1 und 2 zwischen sog. privilegierten und nicht privilegierten Anlagen. Eine privilegierte Anlage sind solche, die

  1. einem land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb dienen,
  2. der gartenbaulichen Erzeugung dienen,
  3. der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienen,
  4. wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen,
  5. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen,
  6. der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebes nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebes nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dienen unter bestimmten Voraussetzungen,
  7. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen.

Privilegierten Vorhaben kann die Beeinträchtigung bestimmter öffentlicher Belange nicht entgegengehalten werden, soweit diese dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung solcher öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 BauGB insbesondere vor, wenn das Vorhaben

  1. den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
  2. den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
  3. schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
  4. unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
  5. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
  6. Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
  7. die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
  8. die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
    Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

Der Katalog des § 35 Abs. 3 BauGB ist nicht abschließend. Der Belang der "schädlichen Umwelteinwirkungen" (Nr. 3) ist eine Ausformung des Gebotes der Rücksichtnahme und entfaltet daher Drittschutz. Die letztendliche Beurteilung ist im Rahmen einer Abwägung der Interessen des Bauherren mit den öffentlichen Belangen.

Bei nicht privilegierten Vorhaben findet keine Abwägung statt. Das Vorhaben ist bereits dann unzulässig, wenn einer der öffentlichen Belange beeinträchtigt wird. Entgegen des Wortlautes besteht in den Fällen des § 35 Abs. 2 BauGB kein Ermessensspielraum der Verwaltung. Liegen die Voraussetzungen vor, muss zudem die Erschließung (§§ 123 BauGB) gesichert sein.

Bestimmte, bereits bestehende bauliche Anlagen im Außenbereich erlangen eine Teilprivilegierung durch die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 BauGB.

Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit

Die bauordnungsrechtlichen Hürden seien hier stichwortartig genannt:

  • Generalklausel (Art. 3 BayBO)
  • Anforderungen an das Grundstück (Art. 4 BayBO)
  • Abstandsflächen (Art. 6 und 7 BayBO)
  • Baugestaltung (Art. 11 BayBO) - Verunstaltungsverbot
  • Sicherheitsvorkehrungen auf Baustellen (Art. 12 BayBO)
  • Garagen und Stellplätze (Art. 52 und 53 BayBO)

Zustimmung der Gemeinde, § 36 BauGB

Nach § 36 BauGB ist bei Bauvorhaben als bauplanungsrechtliche Voraussetzung das Einvernehmen der betroffenen Gemeinde nach § 36 BauGB einzuholen. Dieses Erfordernis ist unmittelbarer Ausfluss der gemeindlichen Planungshoheit. Die Gemeinde kann dem Bauantrag nur aus den sich aus §§ 30-35 BauGB ergebenden Gründen widersprechen. Eine rechtswidrige Verweigerung der Erteilung des Einvernehmens kann durch die Aufsichtsbehörde ersetzt werden.

Vor Erteilung der Genehmigung kann die Gemeinde das Vorhaben trotz Vorliegen der Voraussetzungen einer der Tatbestände der §§ 30, 34 oder 35 BauGB verhindern oder hinauszögern, indem sie ein Bauleitplanverfahren einleitet und zugleich eine Veränderungssperre erlässt (nach § 14 BauGB) oder eine Zurückstellung des Baugesuches (§ 15 BauGB) verfügt.