Wann sollte ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet werden?

Will man nicht nur eine isolierte Sachfrage durch Schiedsgutachten klären lassen, sondern eine endgültige Entscheidung eines Streites auf der Baustelle unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges herbeiführen, dann besteht die Möglichkeit, ein sogenanntes Schiedsgerichtsverfahren in die Wege zu leiten.

Bei größeren Bauvorhaben wird häufig bereits im Bauvertrag die Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens im Falle von Meinungsverschiedenheiten vereinbart. Bei wirksamer vertraglicher Vereinbarung eines Schiedsgerichtsverfahrens haben die Parteien dann nicht mehr die Möglichkeit, die staatlichen Gerichte anzurufen. Eine trotzdem erhobene Klage würde als unzulässig zurückgewiesen werden.

Ähnlich wie beim Schiedsgutachten kann man auch bei einem Schiedsgerichtsverfahren damit rechnen, auf entsprechend baurechtlich und bautechnisch qualifizierte Schiedsrichter zu treffen. In Effizienz und Schnelligkeit der Entscheidung ist ein Schiedsgericht den staatlichen Gerichten oftmals überlegen.

Ein deutlicher Vorteil von Schiedsgerichten gegenüber den staatlichen Gerichten ist in diesem Zusammenhang, dass sich die angerufenen Schiedsgerichte in aller Regel nur mit einem Streitfall auseinander zu setzen haben und entsprechend rasch, gut vorbereitet und unbürokratisch agieren können.

Von den Schiedsrichtern geleitete Gespräche, die am Ort des Bauvorhabens oder jedenfalls in "neutraler" Umgebung stattfinden und sich auch bis in die Abendstunden erstrecken können, führen oftmals eher zum gewünschten Erfolg als Verhandlungen vor den staatlichen Gerichten, die strengen formalen Regelungen unterworfen sind und von Berufsrichtern geleitet werden, die eben auch an die Erledigung ihrer Pensen denken müssen.

Eine Kostenersparnis darf man sich von Schiedsgerichtsverfahren in der Regel allerdings nicht erwarten. Insbesondere, wenn sich die Vertragsparteien entscheiden, ein Schiedsgericht mit mehreren Mitgliedern (meist drei) einzusetzen, sind die Kosten im Vergleich zu einem erstinstanzlichen Verfahren vor einem staatlichen Landgericht höher. Dies relativiert sich dann wieder, wenn die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens den Kosten gegenübergestellt werden, die ein mehrinstanzliches Verfahren vor den staatliche Gerichten auslösen würde.

Es haben sich in Deutschland auf dem Gebiet des Baurechts bereits diverse Institutionen und Vereine Gedanken zur Organisation und zum Ablauf eines Schlichtungs- und Schiedsgerichtsverfahrens gemacht.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei dabei auf die

  • Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit vom 01.07.1998
  • Streitlösungsordnung der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. in der Fassung vom 01.01.2010
  • Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten der Arge Baurecht im Deutschen Anwaltsverein in der Fassung Juli 2003

und für den internationalen Bereich auf

  • die Schiedsordnung der ICC (Rules of Arbitration of the international Chamber of Commerce) vom 01.01.1998

hingewiesen.

Sämtliche vorgenannten Institutionen stehen für weitergehende Auskünfte zur Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens zur Verfügung.

Vor der Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens sollte man auch mögliche nachteilige Folgen berücksichtigen: Eine Einbindung Dritter in das Verfahren, wie bei den ordentlichen Gerichten mittels Streitverkündung jederzeit zu bewerkstelligen, ist bei einem Schiedsgerichtsverfahren ohne ausdrückliches Einverständnis des Dritten nicht möglich. Ebenfalls ist bei einer möglichen Beteiligung von Haftpflichtversicherern einer oder mehrerer der beteiligten Parteien zwingend vorab zu klären, ob sich diese am Ende dem Schiedsspruch unterwerfen.

Dem Schiedsgerichtsverfahren fehlt grundsätzlich ein Instanzenzug, d. h. die Parteien müssen mit der Entscheidung des Schiedsgerichts leben. Ein Rechtsmittel gegen den Spruch des Schiedsgerichtes gibt es, von extremen Ausnahmefällen abgesehen, nicht. Vielleicht hilft einem hier aber die Erkenntnis, dass die bei den ordentlichen Gerichten mögliche Berufung bzw. Revision ein Urteil nicht zwangsläufig besser oder gar gerechter macht.

Schließlich sind Schiedsgerichtsverfahren nicht billig. Die Vergütung der Schiedsrichter, die ja die Aufgabe eines Richters vor den staatlichen Gerichten übernehmen, orientieren sich in aller Regel an den Vergütungssätzen von Rechtsanwälten, wobei der Vorsitzende eines meist aus drei Personen bestehenden Schiedsgremiums nochmals einen Zuschlag verlangt. Die Kosten für die Fachkompetenz, die man sich mit einem spezialisierten Schiedsrichtergremium zur Entscheidungsfindung einkauft, sind also in jedem Fall wesentlich höher als die Gerichtsgebühren, mit denen man bei den staatlichen Gerichten die Tätigkeit eines Richters bezahlt.

Interessant ist, dass in Großbritannien bereits seit Ende der 90er-Jahre bei nahezu allen Bauvorhaben ein gesetzlich vorgeschriebenes so genanntes Adjudikationsverfahern existiert. Diese Schlichtungsverfahren, die als Vorstufe zu einer staatlichen Gerichtsverhandlung durchgeführt werden, enden mit einer für beide Parteien zumindest vorläufig verbindlichen Entscheidung und haben dem Vernehmen nach zu einer nicht unerheblichen Entlastung der staatlichen Gerichte beigetragen.

Derzeit gibt es auch in Deutschland bei dem Deutschen Baugerichtstag angesiedelte Bestrebungen, ein solches Adjudikationsverfahren ebenfalls im deutschen Recht zu etablieren. Innerhalb sehr kurzer Fristen soll nach diesen Vorstellungen ein erfahrener Experte Meinungsverschiedenheiten von gewerblichen Baubeteiligten vorläufig klären.

Während sich die Befürworter einer solchen Regelung schnellere und kosteneffinzientere Entscheidungen und eine deutliche Entlastung der Gerichte versprechen, verweisen die Kritiker der Adjudikation darauf, dass verfassungsrechtliche Grundsätze, wie beispielsweise die Garantie auf rechtliches Gehör, durch ein solches abgekürztes Verfahren ebenso gefährdet, wie andere alternative Streitbeilegungsmechanismen, wie insbesondere die Mediation, zu Unrecht in den Hintergrund gedrängt werden.