Wann liegt überhaupt ein Mangel vor?

Das heute geltende Recht fordert vom Auftragnehmer, dass er das Werk dem Auftraggeber frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen hat. Nachdem Probleme rund um Sachmängel in der Praxis weit überwiegen, sollen Rechtsmängel an dieser Stelle für die weitere Betrachtung ausgeklammert bleiben.

Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde Anfang des Jahres 2002 eine zumindest textlich komplett neue Definition des Mangelbegriffes in das BGB eingefügt. Danach ist das Werk nach den Bestimmungen des BGB dann frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat.

Damit legt das Gesetz fest, dass zur Klärung der Mangelfrage zunächst auf die vertraglichen Vereinbarungen abgestellt werden muss. Haben die Parteien vertraglich bindende Abmachungen über Art, Güte oder Qualität des herzustellenden Bauwerkes getroffen und weicht das vom Auftragnehmer hergestellte Bauwerk von dem vertraglich Geschuldeten negativ ab, dann ist das Werk mangelhaft.

Bereits hier sei darauf hingewiesen, dass es für die Frage des Vorliegens eines Mangels in keiner Weise darauf ankommt, ob der Auftragnehmer diesen Mangel bzw. die negative Qualitätsabweichung verschuldet hat. Der Auftragnehmer hat grundsätzlich ein mangelfreies Werk abzuliefern. Das Gewährleistungsrecht fragt nicht danach, ob der Auftragnehmer den Mangel durch eigene Nachlässigkeit verursacht hat. Für die Auslösung von Gewährleistungsrechten reicht das bloße Vorhandensein von Mängeln.

Haben die Parteien im Vertrag also beispielsweise Festlegungen zur Güte des Betons getroffen und verfehlt der Auftragnehmer diese Güte, dann ist das Werk mangelhaft, selbst wenn das Bauwerk absolut standsicher ist und die eigentliche Mangelursache durch den Betonzulieferer des Auftragnehmers gesetzt wurde. Haben die Parteien bestimmte Schalldämmwerte vertraglich vereinbart, die weit über die einschlägigen technischen Normen der DIN 4109 (1984) hinausgehen, dann ist das Werk mangelhaft, wenn zwar sämtliche gültigen Normen eingehalten werden, aber eben nicht die vertragliche Verpflichtung zur Erzielung eines erhöhten Schalldämmwertes erbracht wird. Maßgeblich und vorrangig ist danach auf die Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien abzustellen. Nur wenn die Vereinbarungen eingehalten werden, ist das Werk mangelfrei.

Natürlich ist es unmöglich, in einem Bauvertrag sämtliche geschuldeten Beschaffenheitsangaben ausdrücklich vertraglich zu regeln. Dies sieht auch das BGB und hält daher eine zusätzliche Mangeldefinition für die Fälle bereit, in denen die Beschaffenheit zwischen den Parteien nicht vereinbart wurde.

Soweit die Beschaffenheit des Werkes nicht ausdrücklich vereinbart ist, ist das Werk nämlich nur dann frei von Sachmängeln, wenn es

  1. sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, oder sonst
  2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach Art des Werkes erwarten kann.

Auch hier wird also zunächst wieder mit der Frage nach der vertraglich vorausgesetzten Verwendung auf den Vertrag abgestellt, um einen Mangel zu definieren. Enthält der Vertrag keine Hinweise zu konkret geschuldeten Beschaffenheitsmerkmalen, dann muss sich das Werk zumindest für die nach dem Vertrag vereinbarte Verwendung eignen.

Ist dem Vertrag auch kein Hinweis zum Verwendungszweck zu entnehmen, dann muss sich das Werk, um mangelfrei zu sein, für eine gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die der Besteller nach Art des Werkes erwarten kann. Hier haben die Gerichte demnach im Streitfall die übliche Beschaffenheit festzustellen bzw. die Frage zu klären, was der Besteller des Werkes berechtigterweise erwarten darf.

Bei der Feststellung der "üblichen Beschaffenheit" werden die Gerichte auch heute bevorzugt auf die Festlegungen in den sogenannten "anerkannten Regeln der Technik" (insbesondere DIN-Normen) zurückgreifen, obwohl in das BGB ein Verstoß gegen die "anerkannten Regeln der Technik" nicht als eigene Mangeldefinition aufgenommen wurde. Man wird in diesem Zusammenhang aber wohl in der absoluten Mehrzahl der Fälle davon ausgehen müssen, dass die Vertragsparteien die Einhaltung der Regeln der Technik zumindest stillschweigend vereinbart haben und ein Verstoß gegen diese Regeln eben einen werkvertraglichen Mangel produziert.

Die Rechtsprechung geht hier im Rahmen einer widerlegbaren Vermutung davon aus, dass DIN-Normen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Ein Verstoß gegen diese anerkannten Regeln der Technik führt in aller Regel zu einem werkvertraglichen Mangel, vor allem wenn mit dem Verstoß für den Auftraggeber auch nur ein Risiko späterer Gebrauchsnachteile verbunden ist. Es gibt andererseits auch Fälle, in denen geschriebene Regeln der Technik und hier insbesondere DIN-Normen nicht den letzten Erkenntnisstand wiedergeben. Die Mangelhaftigkeit eines Werkes wurde in diesen Fällen von den Gerichten bejaht, obwohl die zum Zeitpunkt der Abnahme geltenden Regeln der Technik vom Auftragnehmer beachtet worden waren.

Wo es keine anerkannten Regeln der Technik gibt, wird eine negative Abweichung des tatsächlichen Ist-Zustandes von dem geschuldeten und üblichen Soll-Zustand im Zweifel mit Hilfe eines Sachverständigen von den Gerichten festgestellt werden müssen. Viele Sachverhalte werden dabei, wie in der Vergangenheit auch, unproblematisch als Mangel identifiziert werden können. So stellen z.B. feuchte Wände im Keller, nicht abfließendes Wasser in Großküchenbereichen, unzureichende Trittschalldämmung, fehlende Schlagregendichtigkeit von Fassaden sowie eine fehlerhafte Gründung von Bauwerken Mängel dar, die selbstverständlich Gewährleistungsrechte auslösen. Es dürfte auf der Hand liegen, dass bei den vorgenannten Beispielen die für ein Bauwerk übliche Beschaffenheit von den Leistungen des Auftragnehmers verfehlt wurde.

Das BGB sieht darüber hinaus vor, dass es einem Sachmangel gleichsteht, wenn ein gänzlich anderes als das geschuldete Werk bzw. das Werk in geringerer Menge hergestellt wird. Vor allem erstere Variante dürfte in der Praxis bei Bauverträgen keine allzu große Rolle spielen.

Die VOB/B sieht eine textlich leicht von den BGB-Regelungen abweichende Mangeldefinition vor, lehnt sich im Wesentlichen jedoch an die gesetzlichen Vorgaben des BGB an. Danach kann der Auftraggeber bei einem VOB-Vertrag Gewährleistungsrechte geltend machen, wenn das abgelieferte Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder - und hier besteht eine zumindest textliche Abweichung zum BGB - wenn das Werk nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Für Fälle, in denen die Beschaffenheit des Werkes zwischen den Vertragsparteien nicht ausdrücklich definiert wurde, gilt die gleiche Mangeldefinition wie schon oben für den BGB-Vertrag dargestellt.

Den Begriff des Rechtsmangels kennt die VOB/B im Gegensatz zum BGB überhaupt nicht. Für den Fall des Verstoßes beispielsweise gegen gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte Dritter - in diesem Fällen liegen "Rechtsmängel" vor - verbleibt es danach bei der Anwendung der Gewährleistungsrechte des BGB.

Folgendes ist im Zusammenhang mit dem Mangelbegriff ebenfalls wichtig zu wissen:

Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt oder nicht, ist die Abnahme. Zur Abnahme muss das Werk mangelfrei sein und den zum Zeitpunkt der Abnahme geltenden Regeln der Technik entsprechen. Ausreichend für das Vorliegen eines Mangels zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt ist freilich, dass der Mangel zur Abnahme "im Keim" bereits vorhanden ist und sich erst später realisiert.

Änderungen der Regeln der Technik im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Abnahme sind vom Auftragnehmer bei der Ausführung zu berücksichtigen, um sich nicht dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die Regeln der Technik und damit dem Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Werkes auszusetzen. Solche Änderungen nach Vertragsschluss und der damit verbundenen Leistungssolldefinition lösen allerdings einen zusätzlichen Vergütungsanspruch aus. Ändern sich die Regeln der Technik nach der Abnahme hat dies für die Frage, ob das Werk mangelhaft ist, rechtlich grundsätzlich keine Bedeutung.

Übliche Abnutzung und Verschleiß stellen in der Regel keinen Mangel dar. Mängel, die auf mangelhafte Wartung von wartungsrelevanten Gewerken (z.B. Aufzüge, Entwässerungsanlagen) zurückzuführen sind, lösen in aller Regel ebenfalls keine Gewährleistungsansprüche gegen den Auftragnehmer aus. Die VOB/B sieht in diesem Zusammenhang auch die Verkürzung von Gewährleistungsfristen für wartungsrelevante Teile von maschinellen und elektronischen oder elektrotechnischen Anlagen vor, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer nicht mit der Ausführung der Wartungsarbeiten beauftragt hat.

Es kommt vor, dass ein Mangel auf eine Anweisung des Auftraggebers bzw. Mängel in der von dem Auftraggeber dem Auftragnehmer zur Ausführung zur Verfügung gestellten Plänen oder Materialien zurückzuführen ist. Hier wird der Auftragnehmer von seiner Gewährleistungspflicht für auftretende Mängel dann frei, wenn die Mängel alleine auf die Anweisung bzw. Materialien oder Pläne des Auftraggebers zurückzuführen sind, und der Auftragnehmer dem Auftraggeber rechtzeitig - nach Möglichkeit vor Ausführung - schriftlich auf mögliche Bedenken hinsichtlich der für ihn fremden Leistung für das Gelingen des Werkes hingewiesen hat.

Der Auftragnehmer hat jedenfalls die Pflicht, sämtliche Anweisungen bzw. Vorleistungen aus der Sphäre des Auftraggebers einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Hat er nachfolgend Bedenken, muss er diese gegenüber dem Auftraggeber (und ich nur gegenüber dem Architekten oder Bauleiter) schriftlich äußern.

Meldet der Auftragnehmer keine Bedenken an, obwohl diese bei der gebotenen Sorgfalt hätten auftauchen müssen, dann verbleibt es dem Grunde nach bei einer Gewährleistungspflicht des Auftragnehmers. Dabei dürfen allerdings in Fragen der Pflicht zur Anmeldung von Bedenken die Anforderungen an die Prüfungspflicht des Auftragnehmers nicht überspannt werden. So ist der Auftragnehmer insbesondere nicht verpflichtet, Ausführungspläne von Fachplanern oder Architekten des Auftraggebers dezidiert auf ihre fachliche Richtigkeit hin zu überprüfen.

Lediglich bei Auftauchen von offenbaren Lücken oder Mängeln in der Planung muss sich der Auftragnehmer melden.