Behinderung auf der Baustelle - Der Auftragnehmer kann seine Leistung nicht erbringen

Der Begriff der Behinderung stammt aus der VOB/B. Er umschreibt Leistungsstörungen, die einer rechtzeitigen und vertragsgerechten Leistungserbringung durch den Auftragnehmer entgegenstehen. Diese Leistungsstörungen können dabei vom Auftraggeber bzw. von Dritten ausgelöst werden oder auf höherer Gewalt oder anderen unabwendbaren Umständen beruhen.

Je nach Qualität der Behinderung wirkt sie sich unterschiedlich auf das Vertragsverhältnis und auf die den Vertragsparteien zustehenden Rechte aus. Dabei ist für den Geltungsbereich des reinen BGB-Vertrages festzuhalten, dass das BGB den Begriff der Behinderung nicht kennt.

So ist man bei Abwicklung eines Bauvorhabens, dem ein reiner BGB-Vertrag zugrunde liegt, im Falle einer Behinderung gezwungen, die aufgetretene Störung mittels der Regeln des allgemeinen Teils des Schuldrechtes (Rücktritt und Schadensersatz) bzw. Werkvertragsrechts (Entschädigung, Kündigung) aufzuarbeiten.

Dies gelingt nicht immer ganz verrenkungsfrei. Gerade diese Schwierigkeiten im Falle des Auftretens von hindernden Umständen bei Abwicklung eines Bauvertrages zeigen, dass eine vertragliche Vereinbarung der Vorschriften der VOB/B viel zu einer vernünftigen Abwicklung des Bauvorhabens beitragen können.

Im Folgenden sollen Behinderungsvoraussetzungen und -rechtsfolgen anhand der Vorschriften der VOB/B näher beleuchtet werden.

Eine Behinderung liegt immer dann vor, wenn sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert glaubt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die öffentlich-rechtliche Baugenehmigung auf sich warten lässt und der Auftragnehmer nicht mit seinen Arbeiten beginnen kann.

Häufige Ursache für Behinderungen sind auch verspätete Lieferung von zur Ausführung benötigten Plänen, fehlende Freigaben durch den Auftraggeber für zu verwendende Materialien oder Werkstattzeichnungen, nachträgliche Änderungswünsche durch den Auftraggeber oder die Einstellung der Baustelle durch die Behörden, z.B. in Ermangelung der Freigabe der statischen Pläne und Berechnungen durch den Prüfingenieur.

Behinderungen können aber natürlich auch auf Gründen beruhen, auf die keine der Vertragsparteien unmittelbar Einfluss hat. So können auch streikbedingte Arbeitsniederlegungen von Beschäftigten des Auftragnehmers oder unerwartete Umwelteinflüsse (Hochwasser, extreme Temperaturen) zu Behinderungen auf der Baustelle führen.

Oberste Pflicht für den Auftragnehmer bei Auftreten von Behinderungen ist die unverzügliche schriftliche Anzeige der hindernden Umstände bei dem Auftraggeber. Diese Anzeige sollte tunlichst immer vorgenommen werden, selbst wenn davon auszugehen ist, dass die Behinderung offenkundig und dem Auftraggeber sehr wohl bekannt ist.

In den beiden letzten Fällen macht die VOB/B zwar eine Ausnahme von der ansonsten strikten Anzeigepflicht, dies sollte aber den Auftragnehmer nicht daran hindern, den Auftraggeber trotzdem von den hindernden Umständen in Kenntnis zu setzen.

Sinn dieser schriftlichen Anzeigepflicht ist es ja gerade, den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, unmittelbar reagieren zu können und die ggf. aus seiner Sphäre stammende Behinderung abzustellen. Die Behinderungsanzeige sollte auch immer an den Auftraggeber persönlich gerichtet werden. Bis dato ist es nämlich in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob eine Anzeige nur an einen bevollmächtigten Architekten, Projektsteuerer oder Bauleiter des Auftraggebers ausreichend ist.

Hat der Auftragnehmer die Behinderung ordnungsgemäß angezeigt - und liegt sie auch tatsächlich vor - dann hat er zunächst einen Anspruch auf Verlängerung der Ausführungszeit, wenn und soweit die Behinderung

a) durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers,
b) durch Streik oder Aussperrung oder
c) durch höhere Gewalt oder sonstige unabwendbare Umstände

verursacht wurde.

Vertraglich vereinbarte Zwischen- oder Endtermine werden also um die Dauer der Behinderung zuzüglich eines Zuschlages für die Wiederaufnahme der Arbeiten nach hinten verschoben. Wird die Ausführung der Arbeiten voraussichtlich für eine längere Dauer unterbrochen, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine Zwischenabrechnung der bisher erbrachten Leistungen. Was als "längere Dauer" zu werten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine behinderungsbedingte Unterbrechung von drei Monaten wurde von den Gerichten jedenfalls als "längere Dauer" akzeptiert.

Weiter stehen sowohl dem Auftragnehmer als auch dem Auftraggeber nach den Bestimmungen der VOB/B ein Schadensersatzanspruch zu, wenn die hindernden Umstände vom jeweils anderen Vertragsteil zu vertreten, d.h. zumindest leicht fahrlässig verschuldet sind. Jeglicher, durch die behinderungsbedingt ausgelöste Verzögerung entstehender Mehraufwand ist dem Vertragspartner als Schadensersatz in diesem Fall zu erstatten.

Erstattungsfähig sind beispielsweise bei auftraggeberseits zu vertretender Behinderung etwaige Lohn- oder Materialpreiserhöhungen oder die längere Vorhaltung der Baustelleneinrichtung. Wurde die Zeitverzögerung auf der Baustelle sowohl durch auftraggeberseitige Behinderungen als auch durch Verschulden des Auftragnehmers ausgelöst, sind die jeweiligen Ansprüche anhand der Verursachungsbeiträge anteilig zu erstatten. Ersatz von möglicherweise entgangenem Gewinn steht dem Auftragnehmer jedoch nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln des Auftraggebers zu.

Sobald der Tatbestand der Behinderung nicht mehr vorliegt, hat der Auftragnehmer unverzüglich die Arbeiten wieder aufzunehmen und den Auftraggeber hiervon zu unterrichten.

Schließlich besteht sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer die Möglichkeit, den Vertrag schriftlich zu kündigen, wenn das Bauvorhaben länger als drei Monate unterbrochen ist.

Nach der Kündigung sind etwaig erbrachte Leistungen zu Vertragspreisen abzurechnen. Sind die Umstände, die zur Unterbrechung geführt haben, von einem Teil der Vertragsparteien zu vertreten, stehen dem jeweils anderen Vertragsteil Schadensersatzansprüche zu.