§ 6 Abs. 6 VOB/B – Schadensersatz bei Behinderung

Der Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B ist für Auftragnehmer ein hartes Brot. Das liegt vorzugsweise an der Tatsache, dass es Auftragnehmern nur in seltenen Fällen gelingt, ihren Anspruch dem Grunde und der Höhe nach so darzustellen, dass ein Auftraggeber hinter den geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch problemlos einen Haken machen kann.

Noch komplizierter wird es für Auftragnehmer regelmäßig vor Gericht. Es gehört viel Geduld und Leidenschaft dazu, einer Baukammer vor einem Landgericht das Vorliegen eines „gestörten Bauablaufs“ und die daraus resultierenden finanziellen Ansprüche näher zu bringen. Nur allzu oft scheitern Auftragnehmer bei den Gerichten mit einem Anspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B, da sie früher oder später mit folgenden vom Bundesgerichtshof bereits wiederholt festgestellten Grundsätzen konfrontiert werden:

„Der Senat hat bereits in seinem ersten Urteil in dieser Sache darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich nicht ausreicht, eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muss vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Demjenigen Auftragnehmer, der sich durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert fühlt, ist es zuzumuten, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Ist ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers“ .

(BGH, Urteil vom 24.02.2005)

Dabei liest sich der Wortlaut der einschlägigen anspruchsbegründenden Norm in § 6 Abs. 6 VOB/B noch recht handhabbar:

Sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten, so hat der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, des entgangenen Gewinns aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

Wird also ein Vertragspartner bei der Erfüllung seiner Leistungspflicht von dem anderen Vertragspartner schuldhaft behindert, dann steht ihm ein Schadensersatzanspruch zu.

Diese Situation kommt gerade auf länger laufenden Baustellen tatsächlich oft vor. Da werden vom Auftraggeber zugesagte Ausführungspläne nicht rechtzeitig übergeben oder die Baustelle ist noch gar nicht in einem Zustand, dass der Auftragnehmer seine Leistungen ausführen könnte, weil vielleicht ein Vorunternehmer mit seinen Arbeiten noch nicht fertig ist. Ein anderes Mal fehlt die Baugenehmigung oder der vollziehbare Planfeststellungsbeschluss, ohne den der Unternehmer tunlichst nicht anfangen sollte zu arbeiten. Schließlich treten auch durch das Auffinden von übrig gebliebener Munition aus dem 2. Weltkrieg immer wieder Behinderungen auf.

Dies sind sämtlich Umstände, die aus der Sphäre des Auftraggebers kommen und dem Grunde nach eine Behinderung bei dem Auftragnehmer auslösen.

Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch für den Auftragnehmer ist zunächst, dass der Unternehmer dem Auftraggeber das Vorliegen einer Behinderung angezeigt hat. Dieses Erfordernis resultiert aus § 6 Abs. 1 VOB/B und ist nur bei Offenkundigkeit der Behinderung obsolet.

Das Vorliegen einer Behinderung für den Auftragnehmer setzt begriffsnotwendig eine Pflichtverletzung durch den Auftraggeber voraus. Der Auftraggeber muss also schuldhaft gegen eine sich für ihn aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Pflicht verstoßen haben.

Nie zu einem Schadensersatzanspruch wegen Behinderung können die Anordnung geänderter, §§ 1 Abs. 3 i.V.m. 2 Abs. 5 VOB/B, oder zusätzlicher Leistungen, §§ 1 Abs. 4 i.V.m. 2 Abs. 6 VOB/B, führen. Die VOB/B räumt dem Auftraggeber schließlich das Recht ein, solche Änderungen am Leistungssoll anzuordnen. Eine rechtmäßige Anordnung kann aber schwerlich zu einem Schadensersatzanspruch führen.

Der Auftragnehmer kann aber durch die Anordnung zusätzlicher oder geänderter Leistungen sehr wohl behindert sein, weil er durch die Mehrarbeit auch mehr Zeit benötigt. Diesen Umstand sollte der Auftragnehmer dem Auftraggeber also zwingend anzeigen, wenn durch die zusätzlichen oder geänderten Leistungen die Einhaltung von Vertragsterminen gefährdet wird.

Der Auftragnehmer muss, um einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B geltend machen zu können, sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm vortragen. Er muss also die konkrete Störung und die Dauer dieser Störung ebenso benennen wie er zu seiner Behinderungsanzeige und zu den konkreten Auswirkungen der Störung auf seinen Arbeitsablauf vortragen muss.

Was hier von den Gerichten erwartet wird, kann nachfolgenden Sätzen entnommen werden:

„Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im Falle von Behinderungen der Anspruchsteller zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf darlegen muss, dann die genaue Behinderung darlegen muss und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen. Beispielsweise müsste dargelegt werden, welche Arbeiter in welchen Zeiträumen die vorgesehene Tätigkeit nicht ausführen konnten und untätig bleiben mussten. Dazu gehört die Darlegung, warum sie in dem Bauvorhaben auch nicht anderweitig eingesetzt werden konnten

Ähnliches gilt für die Darstellung von Leistungen, die über das vertraglich Vereinbarte hinausgehen. Auch hier muss der Anspruchsteller zunächst das genaue Vertragssoll darstellen. Davon ausgehend muss der Anspruchsteller die von ihm zusätzlich erbrachte Leistung darstellen sowie deren konkrete Veranlassung durch den Auftraggeber im Einzelfall. Insbesondere führt nicht jede Anordnung des Bauherrn zu einer Erweiterung des Vertragssolls, da ebenso Anordnungen des Bauherrn denkbar sind, die auf den ordnungsgemäßen Vollzug des Vereinbarten hinwirken sollen.


Die allgemeine Darlegung, dass der Bauablauf und die Zustände auf der Baustelle chaotisch waren, verbunden mit der Behauptung betriebswirtschaftlich-kalkulatorischer Konsequenzen, genügt diesen speziellen Anforderungen nicht“
.

(OLG München Urteil vom 10.11.2007)

Richtig schwierig wird es für den Auftragnehmer allerdings erst dann, wenn er zu dem durch die konkrete Störung „adäquat kausal“ verursachten Schaden vortragen muss. Dabei definieren die Juristen den Schaden noch verblüffend simpel als ein Vergleich der hypothetischen Vermögenssituation des Auftragnehmers, ohne dass hindernde Umstände vorgelegen haben, mit der Vermögenssituation bei Vorliegen der Behinderung. Die Differenz beider Vermögensmassen ist dann der zu ersetzende Schaden.

In der Praxis hat ein Auftragnehmer, der ja auf der Baustelle durchaus auch andere Arbeiten zu erledigen hat, als den Vergleich von Vermögenslagen anzustellen, ohne die nach Möglichkeit baubegleitende Einschaltung eines spezialisierten Baubetrieblers kaum eine Chance, die Auswirkungen einer Behinderung und den ihm entstandenen Schaden in einer gerichtsverwertbaren Form darzustellen.